Patient des Monats: Hund Benni

  • Name: Benni
  • Art/Rasse: Hund, Shih Tzu
  • Alter: 12 Jahre
  • Geschlecht:  männlich, kastriert

Benni war ein munterer und temperamentvoller Vierbeiner der oft zu uns in die Praxis kam. Im Laufe seines Lebens hatte Benni kleinere sowie größere Beschwerden, bei denen er unsere Hilfe brauchte.

Die ersten Probleme hatte er schon im Welpenalter – vor allem mit dem Darm. Er kämpfte immer wieder mit blutigen Durchfällen. Aufgrund der Darmbeschwerden wurden in Narkose Biopsien des Darms entnommen, die das Reizdarm-Syndrom bestätigten. Er bekam deswegen über viele Jahre ein Spezialfutter.

Auch seine Augen machten ihm Beschwerden, weshalb er hierfür eine jahrelange spezielle Therapie bekam.

Benni hatte des Weiteren einen Zirkumanaltumor (Schwellung um den Anus herum). Dieser wurde operativ entfernt. Da diese Tumorarten oft hormonell abhängigen sind, wurde Benni bei der Tumorentfernung gleichzeitig kastriert.

Ein weiteres Problem von Benni waren massive Mengen an Blasensteine, die ebenso in Narkose entfernt werden mussten. Hierbei wurde wieder eine Futterumstellung angeordnet, um die Vermehrung und Neubildung der Steine zu vermindern. Durch Bennis Darmproblematik war es schwierig ein Futter zu finden, das zu beiden Krankheiten passte. Nach sorgfältigen Recherchen hatten wir ein geeignetes Futter gefunden.

Nach all diesen Eingriffen und Maßnahmen, die er durchlebt und überstanden hatte, erholte er sich Benni – ein richtiger Kämpfer – sehr gut.

Vorgehen und Ablauf der Diagnose Lymphom:

Im aktuellen Fall war Benni´s Frauchen besorgt, da er seit ca. 1,5 bis 2 Wochen nicht mehr fressen wollte. Er hatte hochgradig abgenommen und wog bei der Vorstellung in April 2020 um die 6 kg. Im gesunden Zustand war Benni´s Gewicht um die 7,4 kg bis 8 kg gewesen.

Sein Frauchen hatte alles Mögliche versucht, eigentlich durfte Benni nur sein spezielles Futter fressen, aber selbst ein anderes Futter hatte ihn nicht interessiert. Außerdem trank er viel mehr als sonst und setzte vermehrt Urin ab, was oftmals auf eine Krankheit hinweist.

Bei der Untersuchung in unserer Praxis ist Benni´s Kreislauf stabil gewesen, die Lymphknoten waren nicht geschwollen, am rechten Auge hatte er eine deutliche Linsentrübung, der Bauch war weich und nicht schmerzhaft. Die Darmbewegungen waren vorhanden. Er hat keine erhöhte Temperatur.

Da uns bekannt war, dass Benni auch eine Reizdarmerkrankung hatte, haben wir daraufhin eine rektale Untersuchung durchgeführt. Die rektale Schleimhaut war glatt und der tastbare Kot war fest und braun. Die Analdrüsen entleerten sich bei der Untersuchung mit einer zähen braunen Flüssigkeit.

Die klinische Untersuchung ergab keine direkten Hinweise auf eine Krankheit, weshalb wir uns für eine Blutuntersuchung entschieden:

  • Im Blutbild fiel eine Eosinophilie, also eine Erhöhung einer Untergruppe an weißen Blutkörperchen auf und dazu eine Erhöhung der Blutplättchen.
  • Die Blutchemie ergab eine Hypercalcämie und eine Hypophosphatämie, also einen zu hohen Calcium- und einen zu niedrigen Phosphatwert.
  • Die restlichen Werte, also z. B. die Leber-, Nieren- und Zuckerwerte, waren normal.

Mit diesen Werten konnten wir eine Liste mit Verdachtsdiagnosen erstellen.

Differenzialdiagnosen (Verdachtsdiagnosen):

  • Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschilddrüse)
  • Tumor
  • Hyperadrenokortizismus (Überfunktion der Nebenniere mit einer erhöhten Kortisonproduktion)
  • Phosphat Reduktion durch das Ausbleiben der Futteraufnahme, und die dabei entstehenden Azidosen (Blutansäuerungen).

Um unsere Verdachtsdiagnosen einzugrenzen, wäre der nächste Schritt die Bildgebung mittels CT oder MRT gewesen. Dies ist nur in einer Klinik möglich, aber Benni’s Frauchen wollte einen weiteren Aufenthalt in der Klinik erstmal nicht.

Vorgehensweise:

Benni hatte mit Appetit in unserer Praxis eine Aufbaunahrung gefressen, dies beruhigte Frauchen ein wenig. Um ihm ein wenig mehr Appetit zu verschaffen, bekam Benni eine Kortison Injektion und wir bekämpften seine Austrocknung und Azidose (Blutansäuerung durch das nicht-Fressen) durch eine gezielte Infusionstherapie.

Außerdem haben wir parasitologisch nach Benni´s Stuhlgang geschaut. Es wurden keine Wurmeier oder ähnliches festgestellt. Benni´s Besitzerin führte einen Monat später die reguläre Entwurmung fort.

Die Differenzialdiagnose eines Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschilddrüse) erhärtet sich aufgrund der Symptome und Benni´s Vorerkrankungen (Calciumoxalat Steine in der Harnblase).

Zur Abklärung hatten wir Ionisiertes Calcium entnommen und ins Labor geschickt.

  • Befund:
  • Calcium ionisiert: 1,78 mmol / l (1,3-1,7)
  • anorganisches Phosphat: 1,9 mmol / l (0,7 -1,6)

Dadurch erhärtete sich der Verdacht auf einen primären Hyperparathyreoidismus, aber als wir den

PTH-Wert (Parathormon/ein Hormon, das in der Nebenschilddrüse gebildet wird) untersuchten, war dieser normal. Durch dieses Ergebnis war unsere Verdachtsdiagnose Hyperparathyreoidismus wieder unwahrscheinlicher.

Allerdings ging es Benni gut auf die Kortisontherapie. Er nahm sogar zu, weshalb wir für eine längere Zeit eine niedrige Dosis verordneten, die man nach einer gewissen Zeit wieder ausschleichen sollte.

Sobald die Dosis reduziert wurde, wollte Benni wieder nicht mehr fressen und verlor an Gewicht. Benni’s Frauchen wollte aber weiterhin keine Untersuchungen in der Klinik wie CT oder MRT, weil sie ihn nur ungerne über Nacht weggeben wollte. Mit Kortsion, dieses Mal in einer höheren Dosis als letztes Mal, ging es Benni wieder eine zeitlang gut.

Im Juli 2020, also 3 Monate später, wurde Benni wieder bei uns vorstellig. Er hatte knapp über 6 kg. Dieses Mal waren seine Schleimhäute fahl, Herz aber stabil. Bei der Untersuchung merkte man einen ca. mandarinengroßen Tumor im Bauch. Röntgenologisch konnte man nicht gut zuordnen, wo der Tumor sitzt.

Bei einer erneuten Blutuntersuchung zeigten sich Benni´s Blutwerte stabil.

Eine Hypophosphatämie (zu niedrigen Phosphatgehalt) wurde im Labor gemessen, jedoch mit einem normalen Calciumwert. Seine roten Blutkörperchen waren grenzwertig niedrig und der Hämatokrit (also das Verhältnis von flüssigen zu festen Blutbestandteilen) im Normalbereich. Die Retikulozyten (junge roten Blutkörperchen) waren hoch, das heißt Benni´s Körper kämpfte schon mit einem anfangenden Blutverlust, die er durch die Retikulozyten, schon versucht hatte zu kompensieren.

Das Röntgen:

In der l/l Aufnahme (Abb. 1) und in der v/d Aufnahmen (Abb. 2) war eine Weichteil-Verschattung im kranialen mittleren Abdomen deutlich zu erkennen (roter Kreis).

Operation:

Nach einem Gespräch mit Frauchen hatten wir entschieden in Benni´s Bauch nach zu sehen, um was es sich bei dieser Schwellung handelt und wovon es ausgeht. Eine Probelaparotomie (Eröffnung der Bauchhöhle) wurde durchgeführt.

Die Schwellung kam eindeutig von dem Dünndarm. Der betroffene Darmabschnitt war derb, rund und zog sich ein paar Zentimeter in die Länge. Wir hatten uns entschieden die Veränderung heraus zu nehmen und eine End-zu-End-Anastomose (Verbindungsgang zwischen zwei anatomischen Strukturen) durchzuführen.

Die Schwellung wurde in die Pathologie eingeschickt, um heraus zu finden um was für eine Umfangsvermehrung es sich hierbei handelt. Das Ergebnis: ein T-Zell Lymphom.

Ein Lymphom ist eine böse Tumorerkrankung, die von Zellen der Gruppe der weißen Blutkörperchen ausgeht. Es ist vergleichbar zu der non-Hodgkins Erkrankung der Menschen. In der Regel unterscheidet man T- und B-Zell Lymphome. Die Erkrankung wird aufgeteilt und benannt nach dem Fundort des veränderten Gewebes. Man unterscheidet multizentrische gastrointestinale (im Magendarmtrakt), mediastinale (im Raum zwischen der Lunge),  kutane (Haut) und extranoduläre Formen.

Man findet oft bei T-Zell Lymphome ein erhöhten Calcium Wert im Blut. Der Calciumwert wird durch hormonartige Substanzen, die von dem Tumor gebildet werden, in die Höhe getrieben.

Das Lymphom ist der häufigste vorkommende Tumor bei den Hunden. Er kommt bei mittelgroßen bis großen Hunde  gehäuft vor. Lymphome können in jeder Altersstufe vorkommen. Am häufigsten sind mittelalte Tiere betroffen (ab einem Alter von ca. 7 Jahren).

Die multizentrische Form geht mit einer generalisierten, nicht schmerzhaften Schwellung der Lymphknoten einher. Milz, Leber und Knochenmark können mit betroffen sein. Auch die Nerven können beeinträchtigt werden. Die allgemeinen Symptome sind eher unspezifisch, also zum Beispiel reduzierte Futteraufnahme, Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust. Weitere Symptome, welche von der Lokalisation des Tumors abhängen, sind zum Beispiel Durchfall, Fieber, Aszites (Wasser im Bauch) und Atembeschwerden.

Eine Untersuchung durch eine Aspirationszytologie (Punktion eines betroffenen Lymphknotens, zum Zwecke der Zellgewinnung) stellt die Diagnose. Eine weitere Untersuchung mittels Immunhistochemie – also einem Anfärben und Beurteilen der gewonnenen Zellen – zur Unterscheidung der Form des Lymphoms ist sinnvoll. Man kann hierdurch unterscheiden ob ein T- oder B-Lymphom vorliegt. Die Prognose eines T- Zell Lymphoms ist schlechter als die des B- Zell Lymphoms.

Die Behandlung des Lymphoms erfolgt mittels Chemotherapie. Diese erfolgt in verschiedenen Formen je nach Patient und Schweregrad des Tumors.

Die Prognose ist sehr variabel. Die Therapie kann ein Tumor zurückdrängen, aber nach der sogenannten Remissionsphase erfolgt leider bei den meisten Tieren ein Rezidiv (erneutes Wachstum des Tumors) innerhalb von 6 -9 Monate. Die mittlere Überlebenszeit eines Lymphompatienten unter chemotherapeutischer Behandlung beträgt ca. 1 Jahr. Das malige (bösartige) Lymphom ist einer der Tumorarten, die am besten auf Chemotherapie ansprechen. Es gilt je früher man die Erkrankung feststellt desto besser ist sie zu behandeln.

Benni hat den Eingriff gut überstanden und sich ganz gut von der Operation erholt.

Leider bestätigt der Pathologiebefund die ungünstigere Variante des Lymphoms. Eine Chemotherapie wollte Benni´s Frauchen für ihn nicht. T-Zell Lymphome sprechen nicht so gut auf die Therapie an. Frauchen wusste dass es Benni nur für eine gewisse Zeit gut gehen würde. Benni´s Wunden heilten gut. Seine Darmfunktion nach der Operation wurde immer stabiler. Er hatte einen guten Appetit. Leider war, wie zu erwarten bei solch ein Pathologiebefund, dies nicht von Dauer. Der Zustand wurde ca. 6 Wochen danach zunehmend schlechter.

Auf Grund des Befundes und schlechten Allgemeinzustandes – verursacht durch den wiedergekehrten Tumor im Bauch – haben wir Benni trauriger Weise erlösen müssen.

Benni war ein sehr tapferer Patient und hat alle seine Leiden so gut überwunden. Tumoren beeinträchtigen leider oft die Funktion von Organen, die wir zum Leben brauchen. In Benni´s Fall  waren es schon von Beginn an der Darm und letztendlich auch die Lymphknoten.

Benni war ein Patient der uns nicht nur traurige, sondern auch viele fröhliche Momente geschenkt hatte und uns immer im Herzen bleiben wird!