Patient des Monats: Kaninchen Frechdachs

„Frechdachs“ ist ein 3jähriger, männlicher, nicht kastrierter Thüringer (Kaninchen). Er ist einige Male mit hochgradigem Speichelfluss vorstellig gewesen. Fressen wollte er auch nicht so recht. Frechdachs bekommt Kraftfutter (Pellets), frisches Grün und Heu. Heu mag er nicht so gerne fressen. Im Winter sitzt Frechdachs im Käfig, im Sommer hat er die Möglichkeit auf der Wiese zu mümmeln.

Bei Vorstellung ist Frechdachs munter; er röchelt ziemlich stark, Unterkieferbereich und Wamme sind vom Speichel sehr nass; Lymphknoten soweit obB; Abdomen weich, nicht schmerzhaft; Lunge bei der Auskultation, inspiratorisch verschärft; hat wegen der Aufregung eine beschleunigte Atmung; Temperatur 39,1

Leider lässt Frechdachs eine Untersuchung der Kieferhöhle in wachem Zustand nicht zu. Er ist vor Ort so aufgeregt, dass die Gefahr besteht, dass er kollabiert. Dies ist eine lebensbedrohliche Situation.
Eine Sedation ist also notwendig, um die Maulhöhle ordentlich zu untersuchen. Frechdachs wird ein Venenzugang im Ohr gelegt und er bekommt während der Narkose Infusion. Da Kaninchen sehr leicht auskühlen wird der Körper durch wärmende Handschuhe unterstützt.

Die Maulhöhle kann dann mit einem Maulspreizer geöffnet werden, der zwischen den Schneidezähnen platziert wird, und dann werden die Backen mit einem Backenspreizer zur Seite geschoben. Erst dann sind die Backenzähne des Unter- und Oberkiefers sichtbar.

Therapie

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Es wurde für einige Tage Schmerzmittel mit nach Hause gegeben, die Darmflora wurde mit Bird Bene Bac unterstützt.

Die Spitzenbildung gerade im Unterkieferbereich führte zu Schmerzen an der Zunge, unter anderem würde dies das vermehrte Speicheln erklären. Eine Futterumstellung auf Heu wurde angeraten. Durch das Heu werden die Tiere gezwungen eine vollkommene Mahlbewegung des Kiefers durchzuführen, die damit für eine gleichmäßige Abreibung der Zähne am Ober- und Unterkiefer sorgt. Leider sind die Zähne im Oberkiefer kurz und schon in der Zahnreihe beidseits schief. Das heißt, dass die Wurzeln möglicherweise schon schief wachsen. Dies kann langfristig zu Problemen führen.

Die Zahnwurzeln der Kaninchen sind ziemlich lang und ragen sehr weit in den Kieferknochen. Gerade im Oberkiefer können schiefe Wurzeln, eine Verlegung oder gar eine Entzündung des Nasentränenkanals verursachen. Der Nasentränenkanal verbindet Auge und Nasenöffnung und ist zuständig für den Tränenabfluss. Bei Verlegung oder Entzündung ursächlich der Zähne kann es zu starkem Augenausfluss kommen. In ganz schlimmen Fällen, bei denen Entzündungen vorliegen, kann es zu einer Kieferknochenentzündung kommen (Osteomyelitis).

Leider ist es nicht so einfach einem Kaninchen beizubringen, dass es Heu fressen sollte. Gerade wenn es nicht gewöhnt ist Heu zu fressen. Es ist in solchen Fällen ratsam, hartnäckig zu bleiben! Nicht aufgeben. Es gibt auch einige Futtersorten, die z. B. aus gepresstem Heu bestehen und größere Pellets sind, die auch eine Mahlbewegung animieren.

Frechdachs hatte danach einige Wochen keine Probleme mehr. Leider war er nach einigen Wochen wieder vorstellig mit ähnlichen Symptomen. Die Maulhöhle schaut wieder schlecht aus und es hatte sich im Bereich des linken Unterkiefers eine Schwellung entwickelt. Frechdachs wurde wieder sediert, damit der Ursache nachgegangen werden konnte.

Die Schwellung im Backenbereich wurde außen an der Backe geöffnet und der Eiter entleert: Die Abszesshöhle wurde von der Kieferhöhle nach außen gespült und dann von der Backe in Richtung Kieferhöhle gespült. Die Abszesshöhle wurde lokal mit Antibiotikum versorgt. Frechdachs wurde einige Tage danach täglich zur Spülung und lokale antibiotische Behandlung der Abszesshöhle vorstellig. Ein knochengängiges Antibiotikum wurde zu Hause einige Tage ins Maul verabreicht und natürlich ein Schmerzmittel, da so ein Prozess nicht sehr angenehm ist.

Frechdachs hatte ein Kiefergranulom im Unterkieferbereich entwickelt. Leider sind solche eitrigen Prozesse beim Kaninchen nicht unproblematisch. Der Eiter der Kaninchen ist ziemlich zähflüssig und lässt sich schlecht entfernen. Eine Abszesshöhle bei dieser Tierart kann man mit Zwiebelschalen vergleichen, schichtweise aufeinander gelegt. Dies macht eine vollkommene Räumung einer Abszesshöhle schwierig. Nach einigen Tagen erscheint die Abszesshöhle trocken und eiterfrei. Frechdachs hat wieder selbstständig mit Fressen angefangen.

Leider ist die Prognose bei so einer Zahnerkrankung sehr sehr vorsichtig zu stellen. Wir sind sehr froh dass es unserem Sorgenkind momentan sehr gut geht!